Eine Sache, die wir in Online Poker immer und immer wieder hören, ob in Büchern, von Trainern, in Videos, oder Foren ist dass wir aggressiv spielen sollen. "Schwäche angreifen" heißt es immer. Eine andere bekannte Phrase ist auch: "Pass auf dass Du die Pots gewinnst, die keiner haben will." Das Schwierige an einer solchen Strategie ist nicht, zu wissen dass wir aggressiv spielen müssen, sondern dass wir nicht genau wissen, wie wir Schwäche erkennen, oder wenn wir sie erkennen, wie und warum wir sie ausnutzen können.

Eine Sache vor der ich sie warnen möchte, bevor ich mich weiter in die Materie vertiefe ist, dass sie den Tisch ganz genau beobachten müssen, um Schwäche ausnutzen zu können. Gute Spieler wissen genau, wie sie Ihr Spiel variieren müssen, um Stärke als Schwäche zu verkaufen und umgekehrt. Sie müssen Ihren Gegner gut genug kennen um unterscheiden zu können, ob seine Handlungen echte Schwäche, oder versteckte Stärke anzeigen.

Es gibt im Grunde zwei Arten von Schwächen die Sie erkennen müssen. Es ist eine offensichtliche Schwäche wenn Ihr Gegner keinerlei Versuch unternimmt seine Schwäche zu verstecken. Aber es gibt auch versteckte Schwächen, in Situationen in denen Ihr Gegner versucht zu verheimlichen wie schwach er ist, indem er so tut als sei er stark.

Da gibt es zum Beispiel den Pre-Flop Limper1. Limping allein ist nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche. Um genau zu sein kann es eine sehr starke Strategie sein, aus einer frühen Position heraus zu limpen. Aber, wenn jemand limpt nachdem die ersten beiden Spieler abgelegt haben, würde ich das sehr wohl als ein Zeichen von Schwäche interpretieren. Anfänger oder ungeschulte Spieler tun das nämlich gern mit genau der Sorte Hands die man erwarten würde: Kleine bis mittelgroße Pocket-Paare, mittlere Connectors der gleichen Farbe oder schwache Broadway Hands wie JZ off-suited oder DJ off-suited.

Okay, was aber tun wir nun mit einem Limper in der mittleren oder späten Position, wie nutzen wir ihn aus? Wenn die Stapel hoch sind können Sie oft aus Position heraus erhöhen und den schwachen Spieler isolieren. Ich bevorzuge diese Strategie aus der Position des Buttons, des Cut-Offs2 und des zweiten vor dem Button. Die Gefahr wenn Sie dies aus einer mittleren Position heraus tun ist, dass Ihnen hinterher noch eine echte Hand unterkommt. Für diesen Artikel nehme ich einfach mal an, dass wir diesen Spieler ausnutzen weil er schwach ist, also ohne eine richtige Hand. Sollten wir eine richtige Hand haben, dann erhöhen wir natürlich aus gutem Grund, und all dies hier spielt keine große Rolle. Mit dieser Bandbreite 

an möglichen Blättern legt der Spieler wahrscheinlich ab. Aber oft werden Sie feststellen, dass er, wenn Sie um die 4x erhöhen um ihn zu isolieren, in der Hoffnung auf einen guten Flop und ihren gesamten Stapel mitgehen wird.

Also lassen Sie uns rein hypothetisch sagen, er geht mit. Was wollen wir genau??? Im Idealfall wollen wir entweder einen Flop mit vielen hohen Karten oder einen gut gemischten Flop (K82r) oder sowas in der Art. Sie sollten bei den meisten Flops eine Continuation Bet3 leisten da die Hand-Range Ihrer Gegner so ist, dass sie entweder die Karten kriegen die sie brauchen, oder totalen Mist bekommen haben, und Sie dieses Blatt ja darum spielen, ihre Schwäche auszunutzen. Denn Ihr Gegner wird diese Hand die meiste Zeit nicht bekommen (oder zumindest nicht gut genug dass er leicht mitgehen kann).

Die Flops bei denen Sie richtig aufpassen müssen, sind niedrige, koordinierte Flops. Ein Flop wie 567 mit zwei Karten in der gleichen Farbe z.B. wäre schon ein Grund zur Sorge, denn das passt oft zu den mittleren Paaren oder mittleren Connectors die solche Gegner gerne haben. Manchmal, bei den beängstigenden Flops, mache ich eine sogenannte Delayed-Continuation-Bet (beim Flop passen, und dann beim Turn setzen, wenn er auch gepasst hat). Ein schwacher Spieler ist bei dieser Methode ausgeliefert, denn er wird meistens weiterhin limpen, also mitgehen und beim Flop ablegen. Er denkt sich wahrscheinlich dass er, wenn er den großen Fang macht, sein Geld schon zurückbekommen wird. Das wird er aber nicht, denn Sie tricksen ihn aus, und legen ab sobald er Stärke zeigt.

Nach dem Flop ist die offensichtlichste Art, Schwäche zu zeigen ein schwacher Lead. Als schwachen Lead würde man es zum Beispiel bezeichnen, wenn jemand weniger als die Hälfte des Pots einsetzt. Ein guter Spieler benutzt schwache Leads um mit einem guten Blatt Action ins Spiel zu bringen. Aber schwache Spieler machen oft schwache Leads wenn Sie ein akzeptables Blatt haben, oder weil Sie vor dem Flop erhöht haben und nun das Gefühl haben etwas tun zu müssen. Sie setzen dann etwas aber eben nicht so viel.

Wie sie diese Art von Schwäche angreifen hängt davon ab, wer vor dem Flop der Angreifer war, sowie von der Position in der Sie sich befinden. Wenn Sie in Position sind, und der pre-Flop Angreifer waren, bedeutet der schwache Lead Ihres Gegners meistens, dass er im Flop zwar eine Karte erhalten hat, aber sich nicht sicher ist, ob sie gut genug dazu ist um wirklich zu erhöhen. Eine großzügige Erhöhung nach dem Flop wird ihn meistens davon überzeugen, dass Sie eine Monster-Hand haben, wo Sie doch schon vor dem Flop erhöht haben, und er wird ablegen. Sollte er der pre-Flop Erhöher gewesen sein, funktioniert die gleiche Methode, denn Ihr Gegner wird die meiste Zeit einfach das Gefühl haben, etwas setzen zu müssen, aber er hat eben Angst viel einzusetzen.

Wenn Sie sich nicht auf Position befinden, können Sie check-raisen4 und damit versuchen ein für alle Mal den Pot zu bekommen. Oder, um mal etwas anderes zu probieren, passen Sie erst und gehen Sie dann mit, vielleicht lässt er beim Turn ja noch ein bisschen weitere Munition ab. Viele schwache Spieler 

sind unfähig so etwas zu tun, so dass Sie den Pot oft mit einem River-Einstatz stehlen können. Diese Mitgeh-Strategie funktioniert auch wenn Sie auf Position sind, und kann auch hier ein sehr starker Zug gegen Spieler sein, die zwar ein oder zwei Versuche auf den Pot machen, aber nicht drei.

Es gibt aber auch versteckte Anzeichen von Schwäche. Vor dem Flop findet man das oft in der Form von stealing, also aus einer Steal-Position5 heraus erhöhen. Die Möglichkeit diesen Spielern einen Strich durch die Rechnung zu machen, hängt sehr stark von Ihrer Einschätzung der Situation ab, und verlangt, dass Sie sehr genau auf das Verhalten des anderen achten. Es gibt viele pre-Flop Stealer die dann ablegen, wenn man erneut erhöht (natürlich nur wenn die Stapel hoch sind), und es gibt andere die mit fast allem mitgehen. Persönlich versuche ich, Spieler nach ihrer pre-Flop Stärke und Aggressivität , sowie nach Ihrer post-Flop Stärke und Aggressivität, einzuteilen. Wenn ein Spieler ein schwacher post-Flop Spieler ist, versuche ich oft, zunächst ganz ruhig mitzugehen, und ihm den Pot dann nach dem Flop zu klauen. Ist er aber ein starker post-Flop Spieler, erhöhe ich oft wieder und wieder vor dem Flop und versuche den Pot dann und da zu holen, besonders wenn ich denke, dass der Spieler ein zu großes Ego entwickelt. Wenn Sie es mit jemanden zu tun haben, der niemals erhöht, gehen Sie nicht davon aus dass es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn er erhöht.

Nach dem Flop ist die häufigste Form versteckter Schwäche das Overbet, als das Zuviel-Bieten. Ich muss Sie hier noch einmal davor warnen, dass gute Spieler manchmal ihre guten Blätter „über" bieten gerade weil sie schwach aussehen wollen, aber durchschnittliche Spieler tun es oft, um andere davon abzuhalten mit zu gehen. Bevor Sie sich also entschließen, zu versuchen einen Overbet auszunutzen, den Sie als schwach interpretieren, gucken Sie sich den Flop ganz genau an. Boards die viele Möglichkeiten offen lassen, erlauben eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen Overbet mit einem echten Blatt, als unkoordinierte Boards bei denen es eher so ist, dass ein Spieler versucht Sie reinzulegen. Noch einmal, wie Sie sich in dieser Situation verhalten, hängt von Ihrer Einschätzung ab. Gegen einige Spieler die nicht in der Lage sind zwei Kugeln abzuschießen, wenn Sie kein Blatt haben, ist es am besten, wenn Sie mitgehen und abwarten, ob sie nun eine zweite Kugel abschießen oder nicht. Und gegen die die das können, sollten Sie am besten erhöhen und damit Stärke ausdrücken. Generell ist die Variierung und konstante Veränderung Ihrer Spielstrategie, basierend auf Stärke und Schwäche extrem wichtig.

Diese sind natürlich nur die häufigsten Formen von Schwäche die ich beobachte – es gibt noch viele andere. Je mehr Sie spielen, um so mehr werden Sie in der Lage sein, Schwäche zu erkennen und auszunutzen. Eine Sache die Sie bemerken werden ist, dass ich Short-Stack Play, also Situationen mit kleinen Chipsstapeln, gar nicht erwähnt habe. Wenn Sie sich mit einem kurzen Stapel dazu entscheiden, Schwäche auszunutzen, gehen Sie einfach all in, egal ob pre- oder post-Flop. Diese Art von Spiel funktioniert oft, aber wenn es nicht funktioniert, können Sie leicht blöd aussehen wenn Sie dann Müll vorzeigen müssen. In der mittleren Stapelgröße, sollten Sie sich genau überlegen, wann und wie oft Sie Schwäche ohne ein legitimes Blatt angreifen wollen. Wenn Sie einen 10 M Stapel haben, und aus einer 

mittleren Position heraus einen Limper erhöhen, und dann den Flop c-betten (also einen Continuation Einsatz leisten), müssen Sie oft bis zu der Hälfte Ihres Stapels einsetzen. Und während das gut für Ihren +cEV (expected value) sein kann, ist es häufig besser, diese Chips dann einzusetzen, wenn Sie wirklich ein gutes Blatt haben. Schwaches Spiel anzugreifen, ist etwas was bei kleinen Pots vielleicht 80% der Zeit funktioniert wenn Sie es richtig machen, und vielleicht 20% der Zeit bei den größeren Pots. Passen Sie genau auf, dass Sie sich diese 20% leisten können, bei denen es nicht funktioniert, ansonsten tun Sie es nicht.

Vergessen Sie außerdem nicht, dass ein Schnäppchen ein Schnäppchen bleibt. Wenn wir Schwäche ausnutzen, ist das ein Schnäppchen, und als solches müssen wir es auch behandeln. Ein Schnäppchen wird kein Wert-Spiel, weil wir ein mittleres Paar kriegen; es sei denn der Flop kommt mit zwei Paaren oder besser (noch einmal, für diesen Artikel nehmen wir an, dass wir Schwäche ohne gute Blätter angreifen), bleibt es ein Schnäppchen. Wir haben mit der Art und Weise in der wir unsere Karten gespielt haben viel Stärke gegen schwache Spieler gezeigt, wenn diese nun aber auf einmal aus der Reihe tanzen, dann heißt das meistens dass sie eine super Hand haben. Wenn Sie nicht diszipliniert genug sind, ein mittleres oder sogar hohes Blatt abzulegen wenn Sie dabei sind von einem schwachen Spieler zu stehlen, dann verschenken Sie höchst wahrscheinlich die Profite die Sie sich mühsam erarbeitet haben. Ein Schnäppchen ist und bleibt ein Schnäppchen, und es wird kein Wert-Spiel weil Sie zwei Paare haben.

Zum Schluss, und ganz wichtig, seien Sie selektiv. Benutzen Sie Ihr eigenes Tisch-Image und Ihren Spielstil um zu entscheiden, wie oft Sie Spieler angreifen, die Schwäche zeigen. Wenn Sie es jedesmal tun, wird es offensichtlich und damit angreifbar. (Nach dem Motto: Ich würde sogar mit Assen limpen, weil der Typ immer erhöht!). Wenn Sie eine Weile nur miese Karten bekommen, benutzen Sie Ihr „tightes" Image um einen Pot zu stehlen. Wenn das Deck eine Weile gnädig zu ihnen war, benutzen Sie Ihr Image als jemand der immer gute Karten spielt, um sich ein paar Pots zu klauen. Das Wissen wann und wie man diese Strategie anwenden kann, ist hauptsächlich eine Frage des Gefühls. Aber vergessen Sie nie, dass die anderen Spieler am Tisch Sie genau beobachten und auf Ihre Handlungen reagieren, und ihre Spielstrategie demensprechend angleichen.

Viel Glück,

-Rizen

1 Limping, wortwörtlich hinken, oder lahm sein, bezeichnet Spielverhalten in dem ein Spieler immer nur den minimal notwendigen Einsatz tätigt.

2 Der Sitz vor dem Button, also der letzte Spieler der vor dem Button dran ist.

3 Wenn man nach dem Preflop ungefähr die Hälfte des Pots setzt, um andere Spieler rauszuwerfen, die sonst mitgehen würden um die 4. Karte zu sehen

4 Check-raising, wortwörtlich passen-erhöhen, ist genau das, Sie passen, und im nächsten Zug erhöhen Sie dann.

5 Stealing ist eine Situation in der ein Spieler in einer späten Position, sollte niemand so richtig Interesse am Pot zeigen, so hoch blufft, dass alle anderen ablegen. Er hat dann so zu sagen die Blinds oder Antes „gestohlen".