Wenn Sie mit Pokerspielern über die größten Schwächen in Ihrem Spiel reden, gibt es eine Sache die mit ziemlicher Sicherheit ganz oben auf der Liste auftauchen wird – Tilt1. Tilt ist mit Abstand der wichtigste Grund für Pokerspieler ihren Vorteil einzubüßen und ist meistens auch der Grund für inakzeptable EV2 Verluste. Das sprichwörtliche Brett vorm Kopf und die daraus resultierenden Handlungen die von Tilt verursacht werden, sind häufig der Grund für negative Situationen in Poker – alles von unauffälligen kleinen Fehlern, bis zu massiven Zusammenbrüchen einer gesamten Bankroll. Auch wenn viele Pokerspieler zugeben, dass Sie für Tilt anfällig sind und ihn als Ursache vieler Niederlagen identifizieren – was tun sie eigentlich dagegen?

Wie die meisten Pokerspieler hatte auch ich reichlich Erfahrungen mit unserem unleidlichen Freund Tilt. Keiner mag eine Session bei der er die ganze Zeit verliert, während es so scheint als würde ein anderer Spieler ständig unglaubliches Glück haben, und zum Schluss kickt er sie dann auch noch aus dem Tunier. Na klar reagiert man da negativ. Das Problem ist aber nicht, dass man sich über sein Pech aufregt, sondern die Aktionen die man unternimmt während man „unter Tilt steht." Die meisten Spieler melden sich sofort für ein neues Turnier an oder springen in das nächste Cash-Spiel. Sie fangen dann an, wie verrückt 4-betting3 zu betreiben. All das passiert, während sie vermutlich die am nächsten liegenden Objekte an die Wand schmeißen und ihren Bildschirm anschreien. Also zumindest habe ich mir sagen lassen, dass Spieler dies tun. Das basiert natürlich auf keinen Fall auf meinen eigenen Erfahrungen ;). Egal, ist nicht sehr schwer, zu verstehen, warum tilten nicht unbedingt die ideale Einstellung zum Pokerspielen ist – besonders wenn es um viel Geld geht!

Und obwohl es durchaus lustig sein kann, Geschichten von Leuten zu hören, die ihren Computer in den Pool geschmissen haben, ihre Golfbälle durch Glasscheiben gedroschen, oder ihre drahtlose Mouse ihrem besserwisserischen Freund an den Kopf geschmissen haben, sollte es wohl doch einen besseren Weg geben mit Tilt umzugehen, oder? Glücklicherweise gibt es ein paar Wege, wie man auch während einer intensiven Tilt-Episode den Computer oder die Glasscheiben retten kann. (Obwohl Ihr Freund vielleicht trotzdem die Mouse am Kopf verdient hat, wenn Sie gerade einen Bad Beat erlebt haben.)

Jeder hat schon mal von einigen grundlegenden Wegen gehört, wie man mit Tilt fertig werden kann, z.B. eine Pause einlegen, sich selbst vom Spiel ausschließen, etc. Aber meistens hilft das weder dabei, die Wurzel des Ärgernisses zu beseitigen, noch die richtigen Schritte zu tätigen um Tilt unter Kontrolle zu bekommen. Wenn Sie Ihr Tilt-Problem einfach unter den Teppich fegen, wird es leicht zurück kommen und Sie wieder und wieder schädigen. Nachdem ich den Bestseller „A New Earth" von Eckhart Tolle gelesen hatte, habe ich mir angewöhnt einige Techniken, die auf meinen Interpretationen des Buches beruhen, anzuwenden wenn ich unter Tilt-Risiko stehe. Damit kann ich es ausschalten, bevor es überhaupt anfängt.

Ein wichtiger Aspekt des Buches liegt darin, zu verstehen was Ihnen Schmerz (Tilt) bereitet, und sich dann völlig auf den Moment zu konzentrieren um das negative Gefühl auszuräumen. Es mag ein bisschen schwierig sein, das genau zu erklären, aber wenn Sie genau verstehen was Sie in diesem Moment peinigt, sind Sie schon auf dem besten Weg dazu es zu eliminieren. Einfach in dem Sie es dem Gefühl nicht erlauben, Sie zu überwältigen. Eckhart Tolle bezeichnet das als „seinen Schmerz-Körper" erkennen, denn damit erwecken Sie sich von Ihrem Ego (-Trip) und besiegen es.

Eckhart erklärt außerdem wie Schmerz (Tilt) in Ihrem Ego verankert ist. Im Bezug auf Poker ist das Ego der Teil Ihres inneren Körpers, der rationale Entscheidungen blockiert, und der Sie zwingt weiter zu spielen, wenn Sie unter dem Einfluss von Tilt stehen. Für einige mag es nicht einfach sein, dazwischen zu differenzieren, wann Sie einen "Schmerz-Körper" erleben, oder wann Ihr Ego die Kontrolle übernommen hat, aber für andere ist es ganz leicht. Zum Beispiel kann ich mittlerweile ziemlich genau den Punkt bestimmen, an dem mein Ego übernimmt und kann nun mein Tilt recht gut managen. Wenn ich mich plötzlich aufrege und wirklich emotional werde, versuche ich einen Schritt zurück zu tun und mich darauf zu konzentrieren was genau wirklich in diesem Moment passiert. Das dient dazu, mich zu beruhigen und wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen – und das hilft mir wiederrum dabei mein Ego zu kontrollieren, und ihm nicht die Kontrolle über meine Emotionen zu geben. Aus der Poker-Perspektive heißt das, dass ich meinen Tilt und meinen „Schmerz-Körper" als ein und dieselbe Sache erkenne. Indem ich erkenne, dass mein Tilt mein Ego ist, kann ich es relativ leicht unterbinden.

Und obwohl es nicht möglich ist, sein Ego über Nacht zu eliminieren, wird es mit jeden Mal einfacher, wenn Sie nur einen ehrlichen, und bewussten Versuch unternehmen, die Negativität die Ihr Ego verursacht zu erkennen und immer im Moment präsent zu bleiben. Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein paar Fragen mit auf den Weg geben, die Sie sich stellen sollten, wenn Sie Poker spielen und die Dinge nicht so gut laufen. Denken Sie genau über Ihre Antworten nach, und Sie sind schon auf dem Weg, mit Ihrem Tilt umzugehen.

1. Wird mein Bad Beat meine zukünftigen Handlungen beeinflussen, oder liegt es in der Vergangenheit?

2. Habe ich in letzter Zeit einem anderen Spieler einen Bad Beat verursacht, wenn ja wann und wie?

3. Da ich die letzten fünf Münzwürfe verloren habe, werde ich mit Sicherheit meinen nächsten gewinnen müssen?

4. Wenn ich meinem Ego und meinen Emotionen freien Lauf lasse, wird das mein Spiel verbessern?

5. Wenn es im Poker darum geht gute Entscheidungen auf lange Sicht zu treffen, sollte ich mich dann so sehr auf momentane Resultate konzentrieren?

1 Ein Spieler leidet unter Tilt oder tiltet, wenn er aufgrund einer Reihe von schlimmen oder ärgerlichen Niederlagen, z.B. sogannenten Bad Beats oder durch simples Glück eines eigentlich unterlegenen Gegners, nicht mehr rational sondern emotional spielt, und durch "verbissenes" oder verbittertes Spielen seine Gewinnchancen erheblich reduziert. Vor allen Dingen für Spieler die viel oder professionell spielen, kann es sehr schwer sein, von einem Tilt wieder herunter zu kommen.

2 "EV" von „Expected Value", Erwartungswert. Ein Mittelwert der sich ergibt, wenn ein Experiment mehrmals wiederholt wird. (Wenn ein Pot 100$ beträgt und ein Spieler diesen zu 60% gewinnt, so ergibt sich ein EV von 60$)

3 "4-betting" sagt man, wenn ein Spieler erhöht, sein Gegner ebenfalls erhöht und der ursprüngliche Spieler ebenfalls noch einmal erhöht.